Februar 05, 2011

Vor 40 Jahren: Aufnahme von „Heart of Gold“

In der Musik gibt es das Phänomen des „One-Hit-Wonder“. Gemeinhin versteht man darunter Künstler, die in ihrer Karriere nur einen Hit hatten und ansonsten weitgehend bedeutungslos waren. Es gibt aber auch Künstler, die zwar ebenfalls nur einen Nummer-Eins-Hit hatten, davor und danach aber über Jahre kontinuierlich Erfolge feierten und prägenden Einfluss auf die Musikgeschichte nahmen.

Neil Young ist einer dieser Künstler: Obwohl der Kanadier seit 1966 unter seinem eigenen Namen und in Bands wie Buffallo Springfield oder CSN&Y dutzende Alben veröffentlichte und viele Klassiker der Rockgeschichte schrieb, wird er von vielen Menschen außerhalb der eigenen Fangemeinde immer mit einem einzigen Lied in Verbindung gebracht. „Das ist doch der mit ‚Heart of Gold“ hört und liest man auch nach 40 Jahren immer wieder. So wie bei Bob Dylan, der in Quantität und Qualität ein vergleichbares Lebenswerk vorzuweisen hat, und doch für viele immer derjenige bleiben wird, "der damals 'Blowing in the Wind' schrammelte".

„Heart of Gold“ teilt aber nicht nur Wissende von Unwissenden. Der Song, der vor 40 Jahren am 7. Februar 1971 in den „Quadrofonic Sound Studios“ in Nashville (Link zu Google-StreetView) aufgenommen wurde, spaltet auch Youngs Fangemeinde. Die einen hassen ihn, weil er als zu kommerziell gilt und den Musiker in der Öffentlichkeit auf diesen Mainstream-Sound reduziert. Andere lieben ihn oder betrachten ihn zumindest leidenschaftslos als einen Teil des Gesamtwerks. Auch der Umstand, dass die bis heute wohl reichlich fließenden Tantiemen für den Song Projkete wie den LincVolt mit finanzieren helfen, bleibt dabei nicht außer Acht.

„Heart of Gold“ wurde zunächst in einer Pianofassung zusammen mit „A Man Needs A Maid“ während der "Journey Through The Past"-Solotour im Januar 1971 von Neil Young gespielt.


In Jim McDonough Biographie „Shakey“ spricht Young von einem Medley aus beiden Stücken. Die CD der „Massey Hall“-Show vom 19. Januar 1971 zeigt, dass die beiden Strophen von „Heart of Gold“ gegen Ende in „A Man Needs A Maid“ eingebettet sind und etwa 1:30 von den insgesamt fünf Minuten des Medleys ausmachen. „Heart of Gold“ wirkt dabei erheblich unfertiger und skizzenhafter als das pathetische und auch schon ohne Symphonieorchester orchestral wirkende „A Man Needs A Maid“.

Das Medley, von Young in seiner Ansage als „Filmsoundtrack aus seinem Leben“ bezeichnet, wird in den ersten etwa 16 Shows der Tour gespielt, bis beide Stücke dann am 26. Januar 1971 beim Auftritt im Macky Auditorium der University Of Colorado, in Boulder erstmals separat erklingen. Interessanterweise aber in umgekehrter Reihenfolge – erst „Heart of Gold“, dann „A Man Needs A Maid“. Letztes weiterhin am Piano, während „Heart Of Gold“ nun auf der Gitarre gespielt wird. Dabei bleibt es dann auch während der restlichen sieben Shows der Solotour.

Beide Stücke gehören dann etwa eine Woche nach der ersten separaten Live-Aufführung in Boulder auch zu dem Set, das Neil Young für sein „Harvest“-Album in Nashville aufnehmen will. Der Kanadier hielt sich in der ersten Februarwoche 1971 in der US-Country-Metropole auf, um an der Aufzeichnung der 20. Folge von Staffel 2 der „Johnny Cash TV Show“ teilzunehmen, die am 17. Februar auf dem US-Sender ABC gesendet werden sollte. Die Aufzeichnung findet im Ryman Auditorium (Link zu Google-StreetView) statt, in dem Neil Young 36 Jahre später das von Jonathan Demme im Film "Heart of Gold" abgefilmten Konzert geben wird.

Neben Young traten u.a. auch Linda Ronstadt und James Taylor in Johnny Cash’s Show auf, deren Beteiligte der Nashvilleproduzent und Studiobesitzer Elliot Mazer zu einer Dinnerparty in sein Studio einlud. Mazer war mit Youngs Manager Elliot Roberts befreundet, der seinen Künstler zur Party mitbrachte. Auch James Taylor und Linda Ronstadt, deren Album „Silk Purse“ Mazer produziert hatte, waren anwesend.

Mazer und Young kamen schnell ins Gespräch, fanden Gemeinsamkeiten und verabredeten spontan eine Zusammenarbeit. Bereits für den nächsten Tag bat Neil Young seinen neuen Produzenten, einen Schlagzeuger, einen Bassisten und einen Steel-Gitarristen in sein Studio zu holen. Weil so kurzfristig übers Wochenende kaum Studiomusiker zu bekommen waren, standen dann mit Kenny Buttrey, Teddy Irwin und Ben Keith schließlich Musiker aus Nashvilles zweiter Reihe in Mazers Studio. Bassist Tim Drummondwurde, so Mazer, sogar vom Studiofotografen von der Straße ins Studio gerufen. Mazer cancelte für die Session zudem einen bereits gebuchten Studiotermin einer anderen Band.

Die 'Quadrofonic Sound Studios'
in Nashville heute
Die Studioaufnahmen begannen gleich am Nachmittag des 07. Februar und „Heart Of Gold“ war der zweite Song dieses ersten Sets. Elliot Mazer erinnert sich, dass ihm schon beim ersten Vorspielen des Songs klar wurde, einen künftigen Nummer-Eins-Hit zu hören. Laut Mazer brauchte die Band mit Buttrey an den Drums, Drummond am Bass, Irwin an der Gitarre und Keith an der Steel nur wenige Minuten, um den Song zu lernen und ein Gefühl für die Stimmung zu bekommen.

Wie alle Songs von „Harvest“ wurde auch „Heart Of Gold“ dann live im Studio eingespielt. Mazer erinnert sich an ein oder zwei Durchläufe. Nachdem der Song auf Band war, sangen Ronstadt und Taylor im Kontrollraum noch die Backgroundvocals ein – nebeneinander auf dem Sofa sitzend. Auch sie brauchten nur zwei Versuche. Elliot Mazer schätzt, es habe insgesamt weniger als zwei Stunden gebraucht, um „Heart Of Gold“ vollständig aufzunehmen. Eine weitere Aufnahmesession in Nashville, Studioaufnahmen in London und weitere Aufnahmen auf Neil Youngs Ranch folgten im weiteren Verlauf der Produktion.

'Herz aus Gold' -
Deutsche Coverversion
von 1972  
Das fertige Album „Harvest“ erschien dann – verzögert durch Neil Youngs Rücken-OP im August 1971 und Unstimmigkeiten über die Covergestaltung – erst im Februar 1972 bei „Reprise Records“. Die Single „Heart Of Gold“ mit „Sugar Mountain“ als B-Seite wurde zuerst ausgekoppelt und erreichte am 18. März 1972 Rang Eins der US-Charts „Billboard Top 100“. Sie hielt sich dort eine Woche und wurde dann von "A Horse With No Name" der Band America abgelöst, die wie Neil Young von Elliot Roberts gemanaged wurde. Die LP „Harvest wurde zudem Nummer Eins der Billborad Album-Charts.

In Deutschland erschien die Single später und stieg am 05. Mai 1972 von 0 direkt auf Platz 15 in die Charts ein, die da gerade Juliane Werding mit "Am Tag als Conny Kramer starb" anführte. Sechs Wochen später, am 15. Juni 1972, erreichte "Heart Of Gold" mit Platz 6 seine höchste Chartnotierung in Deutschland. Vor Neil Young rangierten u.a. noch Bata Illic mit "Michaela" und Christian Anders mit "Es fährt ein Zug nach Nirgendwo". Anfang August fiel der Song dann nach 14 Wochen aus den Top 20 der deutschen Hitparade - während Bata Illic sogar auf Eins stieg. Mit insgesamt sieben Wochen in den Top 10 war "Heart Of Gold" in Deutschland aber einer der Sommerhits des Jahres 1972.

Anekdote am Rande: Der "Conny Kramer"-Song der damals erst 15-jährigen Juliane Werding ist eine deutsche Coverversion von „The Night they drove old Dixie down“ von „The Band“ aus dem Jahr 1969. Robbie Robertson, der Gitarrist von „The Band“, spielte mit „Heart Of Gold“-Schlagzeuger Kenny Buttrey schon auf Bob Dylans Nashville-Alben wie „Blonde on Blonde“ zusammen. Neil Young wiederum war vier Jahre später einer der Gäste des legendären und unter dem Titel 'The Last Waltz' von Martin Scorsese verfilmten Abschiedskonzert von "The Band". Ob die 15-jährige Juliane damals die Verbindung zu ihrem berühmten Chart-Kollegen Neil Young kannte?

Neil Young selber war vom kommerziellen Erfolg von Album und Single irritiert und führt ihn als Grund für die anschließende düstere Periode mit kaum noch kommerziell ausgerichteten Alben wie „Journey Through The Past“ , „Times fade Away“, „Tonight’s The Night“ und „On The Beach“.

Sein persönliches Verhältnis zu „Heart Of Gold“ scheint dabei aber nicht gelitten zu haben. Der Song zählt nach „Cinnamon Girl“ und „Powderfinger“ mit deutlichem Abstand zu den drei meist gespielten bei Neil Youngs Konzerten. Bei insgesamt 663 Shows seit 1971 stand der Song auf der Setlist. Das sind fast 100 Shows mehr, als beim vierthäufigsten gespielten Titel „After The Gold Rush“. Bei einem Künstler, der sich nach eigenen Angaben ausdrücklich nicht nach den Wünschen der Fans richtet, ist das ein deutliches Indiz für den hohen Stellenwert, den er selber dem Song in seinem Gesamtwerk zumisst. Neil Young ist mit seinem "Goldherzen" also im Reinen.

„Heart Of Gold“ gehört auch zu den am häufigsten gecoverten Songs des Kanadiers. Die Neil Young Coverdatenbank auf rusted-moon.com weist ihn mit über 50 Versionen an vierter Stelle aus. Mit Johnny Cash und Willie Nelson sind sogar zwei echte Musiklegenden unter den Interpreten. Aber auch Kuriositäten wie eine "Happy-Sound"-Version vom „James Last Orchester“, die „Boney M.“-Discoversion oder ein Cover in finnischer Sprache finden sich in der Liste.

Das erste Cover kam schon direkt im Erscheinungsjahr 1972 heraus: Eine groovende Soul-Version von Bettye Lavette mitsamt Bläsersatz und funky Gitarrenriffs (Video unten). Ebenfalls schon 1972 kam mit "Herz aus Gold" von Stefan Waggershausen die erste deutschsprachige Neil Young Coverversion auf den Markt. Von Wolfang Ambros gibt es sogar eine österreichische Dialektfassung.

Der „Rolling Stone“ zählte „Heart Of Gold“ 2004 zu den 500 größten Songs aller Zeiten. In Kanada gilt er nach einer Aufstellung des kanadischen Rundfunksenders CBC als drittgrößter kanadischer Song aller Zeiten. Übrigens direkt nach „Four Strong Winds“ von Ian Tyson, das Neil Young 1976 auf dem Album „Comes A Time“ coverte.









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