Neil Young hat am 8. Juli in Stuttgart sein 75. Konzert in Deutschland gespielt. Zusammen mit den beiden Shows in Berlin und Mönchengladbach könnten die drei Stationen der "Love-Earth“-Tour möglicherweise die letzten Auftritte des Musikers in Deutschland gewesen sein. Nach den 18 Konzerten des kommenden Nordamerika-Parts der Tour wird er seinen 80. Geburtstag feiern. Auch wenn Neil Young auf seiner Website eine Fortsetzung der Tour andeutete – von Südeuropa und Australien war die Rede – dürften weitere Shows in Deutschland zwar wünschenswert, aber ungewiss sein.
Ob es weitergeht oder nicht - auch Youngs 75. Auftritt ist Grund genug, die beeindruckende deutsche Tour-Historie der Rock-Legende über mehr als vier Jahrzehnte statistisch auszuwerten. Ist sie doch ein Beleg für eine besondere, von musikalischer Vielfalt und Beständigkeit geprägte Beziehung. Nach den USA und Kanada ist Neil Young in keinem Land häufiger aufgetreten – und das mit beeindruckender Kontinuität.
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Konzerte pro Jahr (Click zum Vergrößern) |
Die Zahl der Tourstationen in Deutschland hat sich über die Jahre leicht verringert. Die meisten Konzerte während einer Tour gab es 1982, als Neil Young mit der "Trans Band" neun Mal auf einer deutschen Bühne stand. Bis 2008 waren sieben oder sechs Konzerte je Tour die Regel, von einigen Ausreißerjahren mit weniger Shows abgesehen. Seitdem sind es nie mehr als drei oder vier Stationen pro Europatour, die altersbedingt ohnehin kürzer als früher ausfielen. [Weiter: Zahlen & Fakten aus Neil Youngs Deutschlandstatistik ...]
Städte & Spielorte
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Die Tourstatistik zeigt eine enorme geografische Bandbreite: Neil Young trat bei den 75 Konzerten an insgesamt 29 verschiedenen Veranstaltungsorten auf. In der Rangliste der meistbesuchten Städte steht Berlin mit 14 Konzerten unangefochten an der Spitze, gefolgt von Hamburg mit acht und München mit sieben Konzerten. In 13 deutschen Städten trat Young nur jeweils ein Mal auf. Nördlichste Tourstation war Hamburg, südlichste Lörrach. Im Westen ging es nie weiter als nach Mönchengladbach, im Ost war Dresden das Äußerste.
Als populärste Spielstätte kristallisiert sich die Berliner Waldbühne mit insgesamt sieben Auftritten heraus. Dahinter folgen die Olympiahalle in München mit fünf sowie die Festhalle Frankfurt und die Sporthalle Köln mit je drei Konzerten. Mit je sechs verschiedenen Spielstätten beweisen Hamburg und Berlin die große Vielseitigkeit von Youngs Auftrittsorten. Von Open-Air-Bühnen über Zelte bis zu Multifunktionsarenen war Alles vertreten. Zählt man die beiden Standorte des Tempodroms (erst Zirkuszelt, ab 2001 Betonneubau an anderer Stelle) getrennt, führt allerdings Berlin mit sieben Auftrittsorten.
Fun Fact: Hätten alle 75 deutschen Konzerte hintereinander stattgefunden und man wäre als Fan zu allen 75 Konzerten gefahren, hätte man gerundet 28.160 Kilometer zurückgelegt. Das entspricht in etwa 70 % einer kompletten Umrundung der Erde.
Die meistgespielten Songs
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Konzerte pro Venue (Click zum Vergrößern) |
Noch eindrucksvoller als die geografische ist die musikalische Vielfalt. Bei seinen Deutschland-Konzerten präsentierte Neil Young ein enormes Repertoire von 179 verschiedenen Songs. Am häufigsten, nämlich 46 Mal, stand "Hey Hey, My My (Into The Black)" in den Setlisten. Auf den Plätzen zwei und drei folgen "Cinnamon Girl" mit 45 und "Like A Hurricane" mit 44 Einsätzen. Den vierten Platz der am häufigsten gespielten Songs belegt "Powderfinger" (42 Mal). Mit "Heart of Gold" folgt der erste akustische Song (36-mal gespielt) erst auf Platz fünf , bevor mit "Cortez The Killer" (34-mal) gleich wieder das nächste elektrische Schwergewicht folgt.
Interessant: Weltweit ist dagegen "Heart of Gold" der bei Konzerten meistgespielte Song. Mit "After The Gold Rush", "The Needle And The Damage Done" und "Old Man" stehen weitere eher folkige Werke auf den vorderen Plätzen der weltweiten Live-Statistik. Dem deutschen Publikum zeigte Neil Young also lieber seine harte, elektrische Seite. Bemerkenswert ist auch, dass kein einziger Titel in allen besuchten Städten gespielt wurde. Selbst die häufig aufgeführten Klassiker fehlten immer in mindestens einem der Auftrittsorte auf der Setlist. Mit "After Berlin”, "F*!#in' Up”, "Surfer Joe and Moe the Sleaze" sowie "When Worlds Collide" gab es auch vier Weltpremieren auf deutschen Bühnen. Der Song "After Berlin" wurde zudem nach seinem Debüt in der Berliner Deutschlandhalle nie mehr woanders gespielt.
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Songs pro Konzert (Click zum Vergößern) |
Die Dauer der Konzerte, gemessen an der Anzahl der gespielten Songs pro Abend, variierte im Laufe der Jahre: Sie reicht von 13 Songs (beispielsweise Ulm und Dresden 2014) bis hin zu 25 (Berlin 2016), wobei die meisten Konzerte eine Spanne von 16 bis 22 Songs aufweisen.
Der Durchschnitt für Youngs Deutschlandkonzerte liegt bei 18 Songs. Der Trend ist seit Start der Konzerte 1976 leicht fallend. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Setlists mit vielen langen elektrischen Jams naturgemäß weniger umfangreich ausfallen als solche mit kürzeren akustischen Stücken.
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Songs pro Band (Click zum Vergrößern) |
Die "Marathon-Sets" lieferte Neil Young mit anderen Formationen. An der Spitze stehen seine Konzerte mit "Promise of the Real", bei denen er in sechs Shows durchschnittlich fast 21 Songs spielte. Dicht dahinter folgt die "Trans Band", die 1982 bei neun Auftritten auf einen ähnlichen Schnitt kam. Auch Youngs Solo-Auftritte waren mit durchschnittlich über 19 Songs überdurchschnittlich lang. Den Rekord für das längste Einzelkonzert hält eine einmalige Besetzung um Musiker wie Ben Keith und Rick Rosas, die 2008 in Berlin 22 Stücke präsentierte.
Bands & Mitspieler
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Konzerte pro Band (Click zum Vergrößern) |
Die große Wandelbarkeit Neil Youngs wird auch durch die Vielzahl seiner Begleitformationen unterstrichen. Songs wie "Powderfinger" oder "Hey Hey, My My (Into the Black)" hat er mit bis zu neun verschiedenen Besetzungen performt. Insgesamt trat Young in Deutschland mit elf unterschiedlichen Formationen auf, was seine gesamte stilistische Bandbreite widerspiegelt - lediglich seine Country-Band "The International Harvesters" oder die "Bluenotes" brachte er nie mit über den großen Teich.
Hinzu kommt, dass er selbst die am häufigsten in Deutschland spielende Formation, "Neil Young & Crazy Horse“, variierte: 2001 ergänzten Pegi und Astrid Young das legendäre Quartett. 2014 ersetzte Rick Rosas den wegen eines Schlaganfalls pausierenden Billy Talbot am Bass, zudem gab es zwei Backgroundsängerinnen.
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Meistgespielte Songs (Click zum Vergrößern) |
Den fünften Platz belegt Rick "The Bassplayer" Rosas mit 14 Konzerten vor Neil Youngs verstorbener Ex-Ehefrau Pegi Young, die 13 Mal als Backgroundsängerin und am Vibraphone ihren Mann in Deutschland auf der Bühne unterstützte. Im Jahr 2008 trat sie mit ihrer eigenen Band sogar als Vorgruppe auf.
Insgesamt stand Neil Young während der 75 Konzerte mit unterschiedlichen Begleitbands neben insgesamt 33 Musikern auf den deutschen Bühnen. Hier alle Musiker in alphabetischer Reihenfolge:
Annie Stocking, Anthony Crawford, Anthony LoGerfo, Astrid Young, Ben Keith, Billy Talbot, Booker T. Jones, Brendan O'Brien, Bruce Palmer, Cary Kemp, Corey McCormick, Donald 'Duck' Dunn, Dorene "Sweetie" Carter, Frank Sampedro, Jack Irons Jeff Ament, Jim Keltner, Joe Lala, Joel Bernstein, Larry Cragg, Lukas Nelson, Micah Nelson, Mike McCready, Nils Lofgren, Pegi Young, Ralph Molina, Rick Rosas, Spooner Oldham, Steve 'Smokey' Potts, Steve Cropper, Stone Gossard, Tato Melgar, YaDonna West.
Neil Young, Deutschland & Filme
In Deutschland wurde "Neil Young in Berlin" gedreht, ein Live-Video unter der Regie von Michael Lindsay-Hogg, das im Oktober 1982 während Trans-Tour in der Berliner Deutschlandhalle aufgenommen wurde. Der Film wurde zunächst auf VHS, später auf LaserDisc und DVD veröffentlicht.
"Muddy Track" ist ein Dokumentarfilm von Neil Young, den er unter dem Pseudonym Bernard Shakey während seiner Europatournee 1986/87 mit "Crazy Horse" drehte. in dem Film sind Konzertausschnitte der damaligen Auftritte in Berlin und München sowie Aufnahmen aus dem Tourbus und Bilder vom Bühnenaufbau zu sehen. Eine Sequenz zeigt Neil Young und Teile der Crew bei einem Abstecher ins Münchner Hofbräuhaus.
Ebenfalls als Bernhard Shakey drehte Neil Young eine Filmdokumentation über die CSNY-Tour von 2006. Den Film mit dem Titel "CSNY Déjà vu" präsentierte er 2008 in Berlin auf dem Filmfestival Berlinale.

2022 erschien der Konzertfilm Noise & Flowers, der die Tour von Neil Young & Promise of the Real aus dem Jahr 2019 dokumentiert. Der Film, bei dem Youngs Ehefrau Daryl Hannah Regie führte, enthält zahlreiche Live-Aufnahmen des damaligen Konzerts in der Berliner Waldbühne. Er war als Blu-ray im Deluxe-Boxset des gleichnamigen Live-Albums enthalten und wurde gelegentlich auf Neil Youngs Archiv-Webseite gestreamt.
Das Live-Album "Noise & Flowers" selbst enthält acht Songs, die während der Konzerte in Deutschland aufgenommen wurden: Fünf davon wurden auf der Berliner Waldbühne, je einer in Dresden, Mannheim und München gefilmt. Auf dem Back- und Innencover des Albums sind zudem Fotos der Berliner Waldbühne und der Berliner Mauer zu sehen.
Ein weiteres deutsches Konzert soll demnächst als Konzertfilm erscheinen: Neil Youngs Auftritt mit "Crazy Horse2 von Juli 2001 in der Erfurter Messehalle. Vor zwei Jahren schrieb der Musiker auf seiner Website, es sei „der vielleicht beste ‚Crazy Horse‘-Film, der je gemacht wurde”. Ein Veröffentlichungstermin steht bislang jedoch nicht fest. Vermutlich wird der Film der nächsten Ausgabe der "Neil Young Archives" als Blu-ray oder DVD beiliegen.
Die umfangreichen Zahlen und Statistiken zeichnen das Porträt eines Künstlers, der Deutschland fest in seine Tourplanung integriert hat, sich aber nie der reinen Nostalgie oder Wiederholung hingibt. Und wer weiß: Vielleicht kehrt Neil Young doch noch einmal zu Konzert Nr. 76 und den folgenden zurück.
Tabelle: Alle von Neil Young in Deutschland gespielten Songs, sortiert nach Häufigkeit
Quellen: www.sugarmtn.org, eigene Listen
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Danke für diese Fleißarbeit, noch dazu aus dem Urlaub.
AntwortenLöschenBerlin 82: gab es nicht neulich eine Meldung, dass Akustikauf ahmen hiervon veröffentlicht werden sollen?
Eventuell im Rahmen der ORS, Geffenjahre?
Gruß
K-H
Ja, "Berlin" will er als separates Album bringen und die Arbeit daran sei im Gange, schrieb er. Hat er aber auch von vielen anderen Projekten gesagt. Der Stau wird immer länger.
LöschenJa, die Herausgabe aller dieser Werke (vgl auch Auflistung hier) plus OTB, TTN extended im übersegbaren Zeitraum wäre eine logistiache Meisterleistung ;-)
LöschenWenn das der Elliot Roberts wüsste....
Gruß
K-H
Kleine Ergänzung zu "Neil Young, Deutschland, Film": Das Intro des Films "Year of the Horse" wurde nach einem NY & CH Konzert vor der Festhalle in Frankfurt am Main gefilmt. Hier äußert sich ein enthusiastischer Fan nach dem Konzert. Vielen Dank an den / die Betreiber dieser Seite! Tolle Arbeit! Viele Grüße aus Berlin N.
LöschenChapeau! Lässt das Herz jedes Statistikfans höher schlagen.
AntwortenLöschenGroßartige Aufstellung. Ich liebe sowas. Ich meine, der einzige Auftritt ganz unten in der Liste in der Zusammensetzung Keith, Rosas, Molina und Anthony fand 2008 in Oberhausen statt. Meine Töchter waren begeistert, weil sie einen von Papas großen Musikhelden gesehen haben.
AntwortenLöschenNein, das war im ICC Berlin: https://www.sugarmtn.org/sm_show.php?show=200802260. Oberhausen war später im Jahr mit der "Electric Band". Einziger Unterschied war Chad Cromwell statt Ralph Molina an den Drums.
LöschenOK. Danke.
LöschenVielen Dank für diese tolle Arbeit!
AntwortenLöschenHöchstinteressante Daten - Thumbs up!