April 05, 2012

UPDATED: Ivanhoe - Neil Youngs Kreuzzug für besseres Audio

Neil Young Ivanhoe Audio
Als „Rusted Moon“ am 1. April über die Veröffentlichung der „Neil Young Archives Vol. 2“ als Cloud-Anwendung berichtet hat, steckte weit mehr als ein Aprilscherz dahinter. Zugegeben, Verpackung und Foto der Präsentation waren getürkt. Aber im Kern ging es um mehr, als einen billigen Aprilscherz.

Neil Young, soviel steht fest, arbeitet ernsthaft an einem eigenen, hochauflösenden Audioformat. Und es wird sehr wahrscheinlich wirklich ein cloud-basiertes Streaming-Format sein. Daneben wird es auch Geräte geben, die den datenintensiven Download angeblich über Nacht erledigen. Mit „Ivanhoe“, dem Namen des englischen Ritters aus dem Roman von Sir Walter Scott, will sich Neil Young auch einen möglichen Namen für das System schützen lassen.

Der RollingStone brachte nur 2 Tage nach dem vermeintlichen Aprilscherz neue Details zu Neil Youngs Plänen. Die Angaben, die RollingsStone-Autor Patrick Flanary zu den aufgetauchten Anträgen für die Anmeldung von Markennamen macht, decken sich im Wesentlichen mit Gerüchten, die schon seit Ende letzten Jahres kursieren. Auch Neil Youngs eigene Aussagen zu dem Thema ergeben im Licht der verfügbaren Fakten ein ungefähres Bild von dem, was er in Sachen Hi-Res-Audio plant.

Hier nun Alles über „Sir Neil Ivanhoe“ und seinen Kreuzzug für besseres Hören:



Die Faktenlage:

Mai 2011: Neil Young kündigt in einer persönlichen Nachricht auf seiner Webseite an, die Plattenfirmen werden 2012 ein neues hochauflösendes Audioformat präsentieren. Damit könne man die Emotionen der Musik von „Frank Sinatra bis zu den Black Keys“ wirklich spüren.

Anfang Juni 2011: Neil Young bringt die Archiv-CD „A Treasure heraus. Neben der CD gibt es auch eine Blu-Ray mit hochauflösendem 24/192-Sound

Ende Juni 2011: Neil Young beantragt die Markenrechte für Dienste und Produkte unter den Bezeichnungen "Ivanhoe", "21 Century Record Player", "Earth Storage", "Thanks for Listening", "Storage Shed" und „SQS“.

August 2011: Gilad Tiefenbrun, Inhaber des kleinen englischen Herstellers von hochwertigen Audiosystemen „Linn“ berichtet in seinem Blog über einen Besuch bei Neil Young auf der Ranch. Dabei habe er ihm auch hochauflösende Master anderer Künstler vorgespielt, auf die Neil Young offenbar Zugriff habe.

August 2011: Neil Young spricht in einer Keynote auf der Konferenz Dreamforce 2011 der Firma Salesforce seines Freundes Marc Benioff von neuen Audioformaten sowie Streaming- und Cloud-Techniken.

September 2011: Neil Young und Jonathan Demme präsentieren den Konzertfilm „Neil Young Journeys“, dessen 24/192-Sound bei der Weltpremiere in Toronto über eine eigens installierte 24/192-Kinotonanlage ausgegeben wird.

September 2011: Der Verlag Blue Rider Press kündigt Neil Youngs Memoiren an und spricht in der Pressemitteilung davon, dass Neil Young persönlich das „revolutionäre Audio System Pono“ mit einer „cloud-basierten Bibliothek von Aufnahmen“ vorantreibt.

Oktober 2011: Softwareingenieur Jason Rubenstein, der zuvor unter anderem bei Google arbeitete, twittert, dass er ab sofort an Hi-Res-Audio für Neil Youngs Projekt „Ponotone“ arbeitet.

Januar 2012: Neil Young erklärt auf der "D: Dive Into Media"-Konferenz, er habe das PonoTone-Projekt auch mit Apple-Boss Steve Jobs besprochen, der sich kritisch zeigte. Bezogen auf lange Downloads für Hi-Res-Files sagte Young, das mache das Gerät, während man schläft.

Januar 2012: Neil Young schaltet auf Facebook die Seite „OccupyAudio“ frei, mit der er den Protest gegen die derzeit schlechte Audioqualität bündeln will.

Februar 2012: Apple kündigt die Technik "Mastered for iTunes" an und informiert Musiker und Ingenieure, wie hochauflösende Musik für den Vertrieb über iTunes gemastert werden kann.

März 2012: Die im Juni beantragten Warenzeichen werden Neil Young zuerkennt und veröffentlicht. Die Einspruchsfrist für Mitbewerber läuft 30 Tage und endet am 23. April 2012. Danach kann Neil Young die Warenzeichen nutzen.


Kommentar:

Neil Young ist bekannt dafür, notfalls mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Zudem belegen die Fakten, dass der Musiker und fanatische Audiopurist schon viel Zeit und vermutlich auch schon sehr viel Geld in das Projekt „PonoTone“ gesteckt hat. Auch die Marketingmaschine hat längst begonnen, das engagierte Projekt bei den Fans zu etablieren. Rein zufällig wird der RollingStone nicht auf das Anmeldeformular für die Markennamen gestoßen sein. Auch die verschiedenen Auftritte mit Salesforce-Vorstand Marc Benioff erscheinen vor diesem Hintergrund wohlkalkuliert.

Die Frage ist also nicht mehr ob, sondern wann Neil Young als „Ritter Ivanhoe“ mit dem neuen Audioformat eine Lanze für Hi-Res-Audio brechen wird – und wer als Mitstreiter an seiner Seite reitet.

Denn eines ist auch klar: Als Einzelkämpfer hat Neil Young an der heftig umkämpften Schnittstelle von Musik und Internetbusiness wohl keine Chance. Sein eigenes Vapor-Label könnte allenfalls die Musik von Ehefrau Pegi und einigen wenigen anderen Künstlern im neuen Format anbieten. Das wird aber kaum reichen, um die Kosten für Entwicklung und Markteinführung zu refinanzieren.

Für die Alben anderer Künstler, einschließlich Neil Youngs eigener, liegen die Rechte bei den großen Labels wie Warner oder Sony. Die müsste der Kanadier mit in sein Ritterheer holen, um eine nennenswerte Verbreitung des neuen Formates sicherzustellen. Über Lizenzgebühren wäre dann auch Neil Youngs Entwicklungsaufwand abgedeckt.

Für die großen Plattenlabels, die sich im Grundsatz schon zu hochauflösenden Formaten bekannt haben, wäre so eine Lösung auch wirtschaftlich allemal attraktiver, als die angekündigten Audioformate von Anbietern wie dem Apple-Konzern zu nutzen. Dessen jüngst angekündigtes Hi-Res-Audio "Mastered for iTunes" hätte für die Labels den großen Nachteil, dass der iTunes-Store kräftig mit kassiert - bis zu 30 Prozent.

Neben dem reinen Content, muss aber auch die Hardware für die Verbreitung von PonoTone verfügbar sein. Dazu reichen im Prinzip sicher PC oder Smartphones mit passenden Apps. Aber nicht jeder wird über eine ausreichend schnelle Datenleitung verfügen. Das Datenvolumen für Hi-Res-Audio setzt höhere Bandbreiten voraus, die im Mobilsektor nur das kommende 4G (LTE) sicherstellt. Noch sind Geräte dafür Mangelware. Apples neues iPad3 hat gerade gezeigt, wo hier die Haken liegen: Die in Deutschland verfügbaren Frequenzen für das schnelle 4G werden von dem Gerät gar nicht unterstützt.

Auch Neil Youngs Ankündigung, selbst im Auto Hi-Res-Audio genießen zu können, setzt Hardware voraus. Entweder Autoradios mit Internetverbindung oder Geräte, mit Festplatte oder ausreichend Flashspeicher. Ob aber Gerätehersteller neben MP3 und Apples Formaten künftig auch Neil Youngs PonoTone lizensieren und einbauen, bleibt abzuwarten. Hier sind schon große Konzerne wie Sony mit eigenen Formaten kläglich gescheitert und haben viel Geld verbrannt.

Bis zur Markteinführung, die auch vom Zeitpunkt der Erteilung der beantragten Markennamen abhängt, wird Neil Young noch einige Klinken putzen und Allianzen schmieden müssen. Und wer weiß: Vielleicht, war "Rusted Moons" Ankündigung der "Archives Vol. 2" als reine High Resolution Cloud-Anwendung doch mehr, als nur ein Aprilscherz ...


UPDATE:

Linn Klimax DS
Verschiedene Fachzeitschriften haben die verfügbaren Modelle von 24/192 Hi-Res-Geräten getestet. Erkenntnis: Die Ninn DS Player bieten nicht nur audiophiles High-End durch Hi-Res-Formate - sie sind auch alle High-Priced!
  • Der günstigste Vollverstärker/Streamer "Linn Majik DS-I" kostet ab 3.000 Euro. (-> zum Test in STEREO)
  • Der Netzwerkplayer "Linn Akurate DS 2011" liegt schon bei 5.500 Euro. (-> zum Test in AUDIO)
  • Für das Top-Modell "Linn Klimax DS" müsste der Hi-Res-begeisterte Rustie stolze 15.000 Euro auf den Tisch blättern. (-> zum Test in STEREO)
Dazu kommen natürlich noch einmal erhebliche Kosten für weitere adäquate Komponenten wie Lautsprecherboxen. Denn der Top-Klang der hochauflösenden Formate muss ja auch unverfälscht ans Ohr dringen. Kein billiges Vergnügen also.

Man darf gespannt sein, wie Neil Young es schaffen will, erschwingliche Varianten auf den Markt zu bringen. Ansonsten bliebe sein Konzept auf eine elitäre Gruppe reicher Musikliebhaber beschränkt. Der Markenname "Ivanhoe" könnte daher auch ein Indiz dafür sein, dass Neil Young dieses Dilemma bekannt ist. Adlige Ritter wie "Sir Ivanhoe" bildeten im Mittelalter bekanntlich auch eine elitäre Gruppe, die mit dem normalen Volk wenig gemein hatte.


Links:


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