Beim Konzert im Blossom Music Center in Cuyahoga Falls, Ohio, USA am 15. August, hielt Neil Young die verlorene Gitarre überraschend wieder in den Händen. Auch bei den folgenden beiden Shows in Toronto kam das Instrument erneut beim Song „Mr. Soul“ zum Einsatz – in ebenjener Stadt, in der Young die Gitarre vor 60 Jahren zuletzt besaß.
Rusted Moon hatte bereits 2011 mit dem Artikel "Neil Youngs "Orange Periode" - Die Gretsch 6120" über die damals noch verloren geglaubte Gitarre geschrieben. Viele Fakten war damals nicht genau bekannt und mussten mühsam recherchiert werden. In den Jahren danach hat sich Neil Young selber in zwei Memoiren-Bänden, in Artikeln auf seiner Webseite und jetzt aktuell bei der Präsentation nach der Widerentdeckung zu der Gitarre geäußert. Grund genug also, die Geschichte dieses Instruments, ohne das manche Songs nie entstanden und Youngs Weltkarriere möglicherweise anders verlaufen wäre, zu aktualisieren. [Weiter: Wie Neil Young zu der Gitarre kam ...]
Die Anschaffung in Winnipeg
![]() |
Randy Bachman mit seiner 1957er Gretsch |
Eine Kaufgelegenheit ergab sich schloeßlich, als John Glowa, ein ehemaliger Gitarrist der Band „The Silvertones“, seine Raten für das 1961 auf Kredit erworbene Instrument nicht mehr bezahlen konnte. Neil Young entschädigte Glowa für die bereits bezahlten Raten, übernahm die restliche Kreditsumme und stotterte den Rest ab. Um sich seine Traumgitarre leisten zu können, verkaufte er sogar seine Golfschläger. In einem Brief an seinen Vater schrieb er damals, dass ihn die Gretsch 275 Dollar gekostet habe.
Ein typisches 1960er-Modell
Die Gitarre kam erstmals am 20. September 1963 bei einem Auftritt der „Squires“ im Tanzkeller der St. Mary's Church zum Einsatz. Analysen von Fotos belegen, dass es sich um ein Modell des Jahrgangs 1960 handelte. Typische Merkmale dieser Gitarre sind die auffällige „Western Orange“-Lackierung und das Hufeisen-Inlay auf der Kopfplatte, das den dort ursprünglich abgebildeten Stierkopf ersetzte. Im Gegensatz zu früheren Modellen fehlte das eingebrannte „G“-Brandzeichen auf dem Korpus.
Die Gitarre war mit einer Bar-Bridge ausgestattet, die 1958 eingeführt wurde. Ein weiteres charakteristisches Merkmal war der Nullbund, der 1959 hinzukam und die Notwendigkeit eines Messingsattels aufhob. Die ursprünglichen DeArmond-Tonabnehmer wurden durch Ray Butts’ Filter’Tron-Humbucker ersetzt, die ab 1958 serienmäßig in Top-Modellen von Gretsch verbaut wurden und bei diesem Modell gerillte Rahmen aufwiesen. Es fehlt zudem die oben eingestanzte Patentnummer, die erst 1961 auf den Tonabnehmern zu sehen war.
Zudem verfügte die Gitarre über ein V-Cut Bigsby B6C-Tremolo, das 1960 eingeführt wurde. Die Korpus-Tiefe der 1960er Modelle wurde von 2 3/4 Zoll auf 2 1/2 Zoll reduziert und die Schraubenabdeckung aus geschwärzten Holz saß noch vorne auf dem Halsfuß, statt seitlich wie bei den Modellen ab 1961. Die Gitarre wies zudem eine schön geflammte Ahorndecke mit einer sogenannten "Tigerstreifen-Maserung" auf, die für die 1960er Jahrgänge typisch war.
Die frühen Aufnahmen mit der Gretsch
Auf dieser Gretsch 6120 entstanden viele Songs, die der angehende Weltstar in seiner Jugendzeit schrieb. Darunter auch der Klassiker „Sugar Mountain“, geschrieben in einem Hotelzimmer in Fort William. Während bei seiner ersten Schallplattenaufnahme 1963 - der Single "Sultan/Aurora" - noch seine Gibson Les Paul Junior zu hören ist, entstanden die nächsten Aufnahmen 1964 und 1965 – darunter mit „I Wonder“ auch der erste Titel, auf dem Neil Young sang – bereits mit der Gretsch 6120 (Video rechts).
Diese Songs wurden 2009 auf der CD „Early Years (1963-1965)“ des Boxsets „Neil Young Archives Vol. 1“ veröffentlicht. Die letzten Aufnahmen mit der Gretsch stammen vom Dezember 1965, als Neil Young Demoaufnahmen bei ELEKTRA-Records in New York machte. Wegen eines defekten Gitarrenkabels musste er die Songs unverstärkt einspielen – die Plattenfirma meldete sich nie wieder.
Verkauf, Trennung und Neuanfang
Zurück in Toronto, wo sich die „Squires“ inzwischen aufgelöst hatten, trennte sich Neil Young Ende 1965 auch von seiner geliebten Gretsch. Er wollte sich als Solokünstler der populären Folk-Szene anschließen und empfand die elektrische Gitarre als unpassend. Wie er kürzlich erzählte, verkaufte er sie in einem Musikladen auf der Yonge Street. Kurz darauf schloss er sich der Band „The Mynah Birds“ an, die einen Vertrag beim renommierten Label „Motown“ erhielt. Das Album erschien jedoch nie, da ihr später als Funk-Musiker berühmt gewordener Sänger Rick James wegen Fahnenflucht verhaftet wurde.
Neil Young verließ daraufhin zusammen mit dem "Mynah Birds"-Bassisten Bruce Palmer Kanada in Richtung Los Angeles, wo sie „Buffalo Springfield“ gründeten. Dort kaufte er sich sofort wieder eine neue Gretsch 6120 – diesmal ein 1961er-Modell. Einer der ersten eigenen Songs auf dem Debütalbum von „Buffalo Springfield“ im Juli 1966 war „Nowadays Clancy Can't Even Sing“ – ein Stück, das er nur gut sechs Monate zuvor bei der missglückten ELEKTRA-Session mit seiner alten Gretsch aufgenommen hatte.
Wie Neil Young seine Jugendliebe wiederfand
Ähnliche Artikel:
0 comments :
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog Kommentare postest, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://www.rusted-moon.com/p/impressum.html) und in der Datenschutzerklärung von Google.