August 30, 2018

Video: Neil Youngs Synclavier & Vocoder aus den 80er Jahren

Anfang der 1980er Jahren erkundete auch Neil Young die Welt  der elektronischen Klangerzeugung. Syn­the­sizer, Drumcomputer und anderes elek­tronisches Equipment hatten bereits in den 1970er Jahren durch Pioniere wie die deutschen Bands "Kraftwerk", "Can" oder die ame­ri­kanische Multimedia-Künstlerin Laurie Anderson Eingang in die Musik gefunden und war spätestens mit der Disco-Welle im musikalischen Main­stream ange­kommen.

Neil Young begann zunächst mit einem Gerät namens Synclavier zu experimentieren, das sein Produzent David Briggs entdeckt hatte. Es war 1977 von einem Team um einen Universitätsprofessor aus Vermont entwickelten worden und konnte synthetisch erzeugte oder gesampelte Klänge abspielen oder zu Sequenzen zusammensetzen. Das Synclavier kam erstmals 1981 auf Youngs Album "Re-Act-Tor" bei zwei Songs zum Einsatz.

Wenig später legte sich Neil Young noch einem Vocoder der deutschen Firma Sennheiser zu. Der Sennheiser VSM 201 konnte Stimmen verfremden oder wie beliebige Instrumente klingen lassen. Mit dem Vocoder, dessen Soundeffekte teilweise mit dem Synclavier gesampelt und abgespielt wurden, nahm Young 1982 das Album "Trans" auf. Dabei arbeite er musikalisch seine Versuche auf, mit Hilfe von elektronischem Equipment mit seinem Sohn Ben zu kommunizieren. Der war mit zerebraler Lähmung und nicht sprachfähig zur Welt kam.

Auf dem Album "Landing on Water" aus dem Jahr 1986 kamen die elektronischen Klangerzeuger dann zum letzten Mal zum Einsatz, ehe Neil Young wieder vollständig auf analoge Technik und handgemachte Musik setzte. Rusted Moon präsentiert Synclavier und Vocoder in einem 3D-animierten Video (oben links) und erklärt die Hintergründe der beiden ungewöhnlichen Instrumente. [Weiter: Alles über Neil Youngs Synclavier und Vocoder ...]


Neil Youngs Synclavier II


Synclavier II Anzeige
Werbung für das Synclavier II
Das Synclavier war einer der ersten Synthesizer und zugleich digitales Sampling-System und Musik-Workstation. Es wurde von 1977 bis 1992 in verschiedenen Ausführungen von "New England Digital" (NED) aus Norwich, Vermont, USA, hergestellt. Entwickelt wurde das Synclavier von Jon Appleton, Professor am Dartmouth College in Vermont und einigen seiner Studenten. Kernstück des Systems war ein selbstentwickelter Microprozessor namens ABLE, der wegen seiner Fähigkeiten und und Robustheit sogar von der NASA in Raumsonden eingesetzt wurde.

Neil Young setzte das Synclavier ab 1981 ein, nachdem sein Produzent David Briggs auf das Gerät aufmerksam wurde. Er verwendete mit dem Synclavier II die zweite Ausbaustufe, die sich vom Vorgänger vor allem durch das Keyboard-Modul anstelle eines Computer-Terminals zur Bedienung unterschied. Außerdem konnten mit dem Synclavier II je Kanal vier synthetisch erzeugte oder gesampelte Klänge gleichzeitig gespielt werden.

Neil Young in Synclavier-Werbung 1982
Neil Young in Synclavier-Werbung
Die Sounds der insgesamt 32 Kanäle waren zudem zu längeren Sequenzen zusammensetzbar und konnten direkt auf Festplatte aufgezeichnet werden. Ein damals revolutionäres Konzept, das wegen des technische Aufwandes aber auch seinen Preis hatte. Die seinerzeit sündhaft teuren RAM-Module und Festplatten trieben den Verkaufspreis eines voll ausgestatteten Systems auf bis zu 250.000 Dollar - die Kosten eines veritablen Einfamilienhauses. Neil Young soll angeblich zwei Synclavier II-Einheiten besessen haben.

Erstmals kam das elektronische Wundergerät 1981 bei der Produktion des Albums "Re-Ac-Tor" zum Einsatz. Neil Young reicherte die beiden mit "Crazy Horse" aufgenommen Songs "Shots" und "Opera Star" nachträglich mit ein paar Overdubs aus dem Synclavier an. 

Beim Nachfolgealbum "Trans" (1982) war der Einsatz des Synclaviers dann wesentlich intensiver - in allen Songs wurden Klangeffekte und programmierte Sequenzen eingefügt. Außerdem kombinierte Neil Young Synclavier und Vocoder, indem er die mit dem Vocoder erstellten Klänge als Samples über das Synclavier abspielte. Auch für das Album "Landing On Water" (1986) wurden einige Songs mit Hilfe des Synclaviers produziert, zusätzlich kamen Synthesizer zum Einsatz.

"New England Digital" baute das Synclavier bis 1992 und brachte stetig technische Weiterentwicklungen heraus. Nachdem aber immer leistungsfähigere Desktop-Computer und Software zur Musikbearbeitung und Klangerzeugung auf den Markt kamen, stellte die Firma die Produktion ein. Die verschiedenen Ausführungen des Synclaviers stehen wegen ihres hervorragenden Klangbildes aber noch bis heute in vielen Studios.


Der Sennheiser VSM 201 Vocoder


Herbie Hancock mit Sennheiser Vocoder
Herbie Hancock mit Sennheiser Vocoder
Vocoder wurden Ende der 1920er Jahre entwickelt, um die Bandbreite von Telefongesprächen besser auszunutzen. Neben der Übertragung mehrere Gespräche parallel auf einer Leistung konnten die Gespräche damit aber auch verschlüsselt werden. Daraus leitet sich auch der Name an: von Voice Coder - Stimmcodierer. Die ersten Geräte wurde im Zweiten Weltkrieg militärisch genutzt. Grundlegendes Funktionsprinzip: Bei der Übertragung wird die menschliche Stimme in einzelne Frequenzbestandteile zerlegt, deren Parameter als analoges Signal an einen Empfänger gesendet wird. Der stellt die Stimme, basierend auf den empfangenen Parametern, dann synthetisch wieder her.

Für die Verwendung als Effektgerät in der Musik, werden bei dieser Spachsynthese zwei verschiedene Signale mit einander verknüpft. So kann die menschliche Stimme beispielsweise als Orgelton erklingen. Oder - umgekehrt - ein Orgelton als menschliche Stimme. Es ist auch möglich, eine menschliche Stimme durch eine andere zu ersetzen. So sang zum Beispiel Nils Lofgren auf der Trans-Tour 1982 im Song "Transformer Man" mit der Stimme Neil Youngs. 

Die ersten Vocoder für musikalische Anwendungen kamen in den 1970er Jahren auf den Markt. Bekannte Hersteller waren Roland, EMS und Korg. Der deutsche Hersteller Sennheiser, vor allem bekannt für seine hochwertigen Mikrofone und Kopfhörer, brachte 1977 sein Vocoder-Modell VSM 201 heraus. Es wurde - trotz des mit Schalten und Drehreglern überfrachteten Frontpanels - als einfach zu bedienender "Entertainment Vocoder" vermarktet. Über Erfahrung mit der komplexen Technik verfügte das Unternehmen aus der Nähe von Hannover mehr als genug: Firmengründer Fritz Sennheiser gehörte während des Zweiten Weltkriegs schließlich zu den maßgeblichen Entwicklern der auf dem Vocoder-Prinzip basierenden akustischen Chiffriertechnik. 

Neil Young kaufte Vocoder bei Kai Krause


Kai Krause
Kai Krause verkaufte Vocoder an Neil Young
Das deutsche Gerät wurde in den USA auch von einem Deutschen vermarktet. Kai Krause, in Dortmund geboren, lebte sein 1976 in Kalifornien und brachte seine Kenntnisse im Bereich der elektronischen Musik in zahlreiche Musik und Filmprojekte ein. Krause, der später durch Softwaretools zur Grafikbearbeitung am PC bekannt wurde, verkaufte den Sennheiser VSM 201 Vocoder an viele prominente Musiker und schulte sie im Gebrauch des komplexen Gerätes. Zu seinen Kunden zählten Frank Zappa, Stevie Wonder und Herbie Hankcock, der 1978 mit "Sunlight" das erste mit Hilfe eines Sennheiser Vocoders aufgenommene Album herausbrachte.

Wie Dave Tompkins in seinem Buch über die Geschichte des Vocoders berichtet, führte Kai Krause den Sennheiser VSM 201 Neil Young auf dessen Ranch in Kalifornien vor, nachdem ihn Joel Bernstein zuvor kontaktiert hatte. Laut Krause, sei Neil Young bei der Vorführung freundlich, aber nicht sonderlich an technischen Einzelheiten interessiert gewesen. Er wolle, erklärte Young dem deutschen Handelsvertreter, mit dem Sennheiser Vocoder den Sound von der deutschen Band "Kraftwerk" nacheifern. Kai Krause verkaufe Neil Young den Sennheiser VSM 201 für 13.500 Dollar - ein Schnäppchen im Vergleich zum viel teureren Synclavier.

Das Vocoder-Album Trans


Neil Young - Trans (1982
Neil Young - Trans (1982)
Von September 1981 bis Mai 1982 nutzte Neil Young seinen neu erworbenen VSM 201 für die Produktion der Songs des Ende 1982 herausgebrachten Albums "Trans". Dabei ging es ihm aber um weit mehr, als um Sounds à la "Kraftwerk". Die Songs drehten sich um die Themen künstliche Intelligenz und Kommunikationsstörungen. Sie wurden maßgeblich von Neil Youngs Bemühen beeinflusst, mit seinem Sohn Ben zu kommunizieren, der 1978 mit zerebraler Lähmung zur Welt gekommen war. Geplante Videos, deren Handlung den Fans die Songs erklären sollten, wurden aber aus Kostengründen von Youngs Plattenfirma abgelehnt.

"Trans" mit seinem von Synclavier und Vocoder geprägten Sound stieß bei den Fans und auch Youngs neuer Plattenfirma "Geffen Records" auf heftige Ablehnung. Geffen verklagte seinen Künstler später sogar wegen "untypischer Musik" auf Schadenersatz. Auf der dem Album vorausgehenden Europatour 1982 erntete Neil Young Buhrufe des Publikums für den ungewohnten Sound.

Der für seinen Eigensinn bekannte Musiker hielt aber trotz der Kritik weiter an der neuen Technik fest und setzte Synclavier und Vocoder 1983 auch bei Solo Trans-Tour sowie der anschließenden Tour mit den "Shocking Pinks" ein. Auch 1986 und 1987, als er mit "Crazy Horse" in den USA und in Europa auf Tour ging, waren Vocoder-Songs wie "Computer Age" oder "Sample And Hold" weiterhin im Programm. "Crazy Horse"-Gitarrist Frank "Poncho" Sampedro musste sich in die zunächst ungeliebte Arbeit mit den per MIDI-Signal vernetzten Geräten so sehr einarbeiten, dass er später für viele Jahre als Midi-Spezialist der Studioband von Jay Lenos "Tonight Show" angeheuert wurde.
 Neil Youngs Synclavier & Vocoder


Neil Youngs Synclavier II als 3D-Modell




Neil Youngs Sennheiser Vocoder als 3D-Modell




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