September 27, 2010

Guild M-20 - Neil Youngs neue „kleine Braune“

„Er kam zur Tür rein und ich drückte ihm eine Akustik-Gitarre in die Hand – eine, an der ich lange gearbeitet hatte, um damit einen völlig neuen Sound zu kreieren. Das ist der vielschichtige Akustik-Sound, den man jetzt auf Songs wie „Love And War“ und „Peaceful Valley“ hört. (…)
Er griff sich dieses Instrument, das einfach alles hatte – Akustik-Sound, Electronica, Bass-Sounds – und in dem Moment, als er es spielte, wusste er, dass wir die Akustik-Gitarre auf ein neues Level gehoben hatten.

Große Worte von Daniel Lanois über eine kleine, braune Gitarre, die auf "Le Noise" zwar nicht gleich neue Level definiert, aber allemal Interesse bei Neil-Young-Fans und Musikern geweckt hat.

Was genau Lanois Neil Young da in die Hand drückte, war seine aufgemotzte alte Guild M-20. Eigentlich ein reines Einsteigermodell des 1953 in New York gegründeten Gitarrenbauers "Guild Guitars", der heute zum Fender-Konzern gehört. Seit den 50er Jahren klein und preiswert gebaut für Schüler und Anfänger. Von der Form her ist die M-20 eine sogenannte „Parlor-Gitarre“, eine auch bei alten Bluesmusikern populäre Bauform mit kleinem Concert-Korpus, die aktuell wieder eine Renaissance erlebt. Ursprünglich wurden die Parlors Ende des 19. Jahrhunderts für schmale Frauenhände konstruiert, mit denen Sängerinnen ihre Lieder für Ihre Gäste in den Salons viktorianischer Herrenhäuser begleiten konnten. Die Gitarre passt daher perfekt in Lanois Villa in Los Angels, die aus jener Zeit stammt und in der auch "Le Noise" aufgenommen wurde. Martin hat mit der "0"- und "00"-Serie bis heute ähnliche Modelle im Angebot.

Die Besonderheit der Guild M-20 ist ihr Holz: Decke, Zargen, Boden und Hals bestehen aus massivem Mahagoni, was einen warmen und eher gedeckten Ton ergibt. Der sich wegen des geringen Korpusvolumens der Parlor-Bauform ohnehin von den großen Martin-Dreadnoughts mit Fichtendecke absetzt, die Neil Young sonst für seine akustischen Stücke bevorzugt. Lanois' Guild M-20 ist nach seinen eigenen Angaben ein Modell aus den späten 60er Jahre (siehe Beispiel), das er in New York kaufte.

Anfangs nutzte der Kanadier 80er-Jahre-Bill-Lawrence-Pick-Ups, die ins Schalloch geklemmt wurden, zur elektrischen Verstärkung. Seitdem er einen Werbevertrag mit dem Pick-Up-Hersteller „L.R. Baggs“ hat, steckt aber fast nur noch der „L.R. Baggs M1“ in der passiven Ausführung in Lanois Akustikgitarren. Auch die Guild M-20, die er Neil Young für die Twisted-Road-Tour und die Aufnahmen von „Le Noise“ gab, hat diesen Pick-Up im Schallloch stecken. Weitere Elektrik oder zusätzliche Tonabnehmer - z.B. unter dem Sattel - sind aber auf den verfügbaren Fotos und Videos nicht zu entdecken. Die Klangbearbeitung, insbesondere die von Lanois beschriebene Trennung von Bass und Höhen scheint erst nach der Pick-Up-Aufnahme zu erfolgen.

Lanois spielt seine Akustischen meist direkt ins Mischpult oder in einen Verstärker. Dabei verwendet er aber keine Akustik-Amps, sondern solche für E-Gitarren. Meist alte Fender Tweeds, die dann per Mikro abgenommen werden. Stimme und Akustikgitarre zusammen mit Mikro aufzunehmen entspricht nicht Lanois' Philosophie, Gesang und Instrument klar zu trennen und auch getrennt zu bearbeiten. So arbeitet Lanois schon seit vielen Jahren, u.a. auch bei den von ihm produzierten Bob-Dylan-Alben "Oh Mercy" und vor allem "Time out of Mind". "Le Noise" ist demnach nichts, als die konsequente Weiterentwicklung dieses Ansatzes.

Wer dem „Le Noise“-Sound selber auf die Spur kommen will, kann das zumindest in Bezug auf die Gitarre verhältnismäßig preiswert tun: Die kleine Guild M-20 aus Mahagoni ist wieder zu haben und welchselt neu für etwas über 500 € den Besitzer - 60er-Jahre Vintage-Modelle sind natürlich um einiges teurer. Ein „L.R. Baggs M1-Soundhole"-Tonabnehmer in passiver Ausführung ist derzeit für ca. 170 € zu haben. Lanois Effekte und Studio-Equipment in seiner Villa in Los Angeles dürfte dagegen eine ganz andere Hausnummer sein.

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